Am 8. September füllte sich die Mensa mit 320 Schülern und vielen interessierten Lehrkräften und weiteren Angehörigen der Schulgemeinschaft. Sie alle wollten die Lebensgeschichte eines ehemaligen Neonazis und Mitglieds einer kriminellen Rockgruppe hören – Philip Schlaffer.
Warum wird ein junger Mann aus gutbürgerlichem Milieu zum gewaltbereiten Neonazi? Was bewegt ihn nach 20 Jahren zum Ausstieg aus dem rechtsextremen Milieu? Der Youtuber, Anti-Gewalt-Trainer und frühere Rechtsextremist Philip Schlaffer erklärt, warum er sich radikalisiert hat.
Schlaffer stammt aus einer gut situierten Familie aus Stockelsdorf, einer wohlhabenden Gemeinde in Schleswig-Holstein. Er war ein normaler Junge, hatte Freunde, spielte Fußball im Verein. Und doch radikalisierte er sich, wurde zu einem führenden Kopf der Neonazi-Szene in Norddeutschland und Anführer einer Rockergang. Dabei waren es bei ihm nicht die politischen Angebote des Rechtsextremismus, sondern eine gestörte Vater-Sohn-Beziehung auf der einen und das Anbot, eine „Ersatzfamilie“ zu bekommen, auf der anderen Seite, die ihm den Weg in den Extremismus öffneten.
Seine Tätigkeiten im kriminellen Rockermilieu brachten ihn schließlich für eine längere Zeit ins Gefängnis. Dort schaffte er seinen Ausstieg aus Hass und Gewalt. Inzwischen ist Schlaffer ein prominenter Aussteiger aus der rechtsextremen Szene. Er hat einen Bestseller geschrieben (“Hass. Macht. Gewalt”), betreibt heute einen Youtube-Kanal, dem 130.000 Menschen folgen, und spricht beispielsweise mit schwierigen Jugendlichen, die auf keine Lehrkräfte mehr hören. Das Ziel: auf die Gefahren der Radikalisierung in der Mitte der Gesellschaft aufmerksam zu machen und Wege aus dem Extremismus aufzuzeigen.
Der sicherlich streitbare Redner hat bei vielen Zuhörer:innen und Zuhörern neue Erkenntnisse, aber auch Irritationen hervorgerufen, wenn es beispielsweise um seine Aussagen zum Thema Prostitution ging. Und auch nicht alle fanden seine zum Teil direkten Ansprachen gegenüber Störungen angemessen. In den Klassen wurden im Nachgang fruchtbare Diskussionen geführt. Es ist nicht zu unterschätzen, dass wir in Philip Schlaffer jemanden zu Gast gehabt haben, der uns authentisch aus einer (Gefühls-)Welt berichten konnte, die für viele von uns aus Klischees oder Vorurteilen bestimmt ist. Ermöglicht wurde der Auftritt durch die Friedrich-Naumann-Stiftung, deren Anliegen es ist, die Demokratie zu stärken. Einem Ziel, dass sie durch die Unterstützung dieses Menschen, der die Vielfalt innerhalb der Gesellschaft aufgezeigt hat, sicherlich gut erreicht hat.
Jens Siebert