Die Idee
Ausgangspunkt unserer Profiloberstufe war das Ziel, die nach 1972 eingeführte Kursstufe der gymnasialen Oberstufe in zwei Punkten weiterzuentwickeln. Durch die Änderungen der Oberstufenordnung mussten an der originären Profiloberstufe unserer Schule Anpassungen vorgenommen werden, aber die Grundidee wollen wir erhalten bzw. weiterentwickeln:
– Wir schaffen verbindliche soziale Strukturen und fördern so Schülerinnen- und Schüler- wie Lehrerinnen- und Lehrerkooperation.
– Wir führen einen zentralen Arbeitsansatz der Gesamtschule in der gymnasialen Oberstufe fort, indem wir uns um themenorientiertes, fächerverbindendes oder gar fächerübergreifendes Lernen bemühen.
Damit stellen wir die Grundstrukturen der Oberstufenreform nicht in Frage, behalten die Unterscheidung zwischen Kern- und Schwerpunktkursen bei, erfüllen die Pflichtauflagen in den Aufgabenfeldern ebenso wie alle rechtlichen Vorgaben der Kultusministervereinbarung und der niedersächsischen Oberstufenverordnung.
Die neue Reform der Oberstufe hat die alten Grund- und Leistungskurse aufgelöst und an ihre Stelle die Profile gesetzt, die allerdings mit der Idee unserer Profiloberstufe nicht viel gemein haben. Die zunächst sehr große Wahlfreiheit der Schülerinnen und Schüler ist in der Vergangenheit immer weiter eingegrenzt worden, jedoch hat man in der Schulbehörde eher das alte Bild mit Wissensvermittlung in sprachlicher, naturwissenschaftlicher Sicht vor Augen.
Von einer individuellen Schwerpunktbildung über die Fächerwahl kann gegenwärtig nicht mehr gesprochen werden. Die noch vorhandenen Möglichkeiten wollen wir in unserer Profiloberstufe erhalten.
Gleichzeitig streben wir jedoch an, einen negativen Aspekt des Individualisierungsansatzes aufzuheben:
die soziale Isolierung der Individuen im Lernprozess. Die Schülerinnen und Schüler einer normalen Qualifikationsphase wählen immer noch Lehrerinnen, Lehrer und Kurse, wenn auch inzwischen unter Einhaltung eines umfangreichen und komplizierten Regel- und Vorgabenwerkes. Sie gehen ihren Weg durch unterschiedliche Kern- und Schwerpunktfächer, sie erbringen in immer neuen Gruppenzusammensetzungen ihre individuellen Leistungen. Es fehlt ihnen jedoch der organisatorische wie inhaltlich ausgefüllte Rahmen, in dem kooperative Lernformen vermittelt und eingeübt werden.
Unsere Profilgruppen bieten den Schülerinnen und Schülern eine Schwerpunktsetzung nach dem besonderen Konzept und nach den Möglichkeiten der Schule. Die hinzunehmenden Einschränkungen an Wahlmöglichkeiten halten sich dabei in Grenzen. Der gemeinsame Unterricht in unseren Profilgruppen umfasst in der Regel etwa 50 % der Wochenstundenzahl. Dieser Unterricht konstituiert bei uns die Profilgruppen. Hinsichtlich ergänzender Angebote zu den Fächern sowie der Wahl der Prüfungsfächer 3, 4 und 5 bestehen keine Unterschiede zu anderen Qualifikationsphasen.
Über die Lehrerinnen- und Lehrerkooperation in unseren Profilteams, über die Profilstunden und den wöchentlichen Profiltag, über die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Profilfahrten entsteht jedoch für Schülerinnen und Schüler ein “Rahmen”, in dem Schülerinnen- und Schülerkooperation nicht nur eine bloße Absichtserklärung ist.
Die Profiloberstufe mit ihren Profilgruppen strebt damit keineswegs den Sprung rückwärts in die Welt der alten Gymnasialklassen an. Wir gehen mit den Profilgruppen einen Schritt nach vorn, um an einer wichtigen Schlüsselqualifikation für die Zukunft, der Kooperationsfähigkeit, zu arbeiten.
Die Reform der gymnasialen Oberstufe hat die fachliche Spezialisierung und damit auch die Steigerung der Anforderungen in vielen Bereichen vorangetrieben. Besonders Schwerpunktfächer bearbeiten heute Themen, Fragestellungen und Methoden, die früher teilweise in den Anfangssemestern eines Studiums zu Hause waren. Diese Entwicklung war beabsichtigt, sie ist angesichts der Entwicklung in der Wissenschaft nachvollziehbar und begründet. Es bestehen allerdings auch Gefahren.
Zum einen geraten über verengte, spezialisierte Fragestellungen manchmal die allgemeinen Grundlagen eines Faches aus dem Blickfeld, zum anderen verliert sich der Kontakt zwischen den einzelnen Disziplinen bereits an der Schule. Die Neuerungen in der Oberstufe – auch das Zentralabitur -, lassen andererseits ein reines unzusammenhängendes, in den einzelnen Fächern vermitteltes Fachwissen befürchten.
Um diese Problematik in Form eines Bildes zu veranschaulichen: Besonders in den Schwerpunktfächern werden teilweise sehr schmale, sehr tiefe Löcher in den Wissensberg gebohrt. Der Ausschnitt ist dabei zwangsläufig so klein, dass der Zusammenhang bereits im fachlichen Umfeld verloren geht. Noch kritischer sind allerdings die Folgen für eine Zusammenschau über die Fächergrenzen hinweg zu werten. Die tiefen schmalen Bohrlöcher der einzelnen Fächer werden zumeist unkoordiniert abgeteuft und vorangetrieben. In der Folge entsteht ein tunnelförmiges Wissen ohne Zusammenhänge. Es mangelt an Querverbindungen, an Stollen, vielleicht sogar an einem Lageplan, der sich um Aspekte des Gesamtzusammenhangs bemüht. Wir können und wollen mit unserer Profiloberstufe natürlich nicht die verlorenen Grundlagen einer verbindlichen Weltdeutung wiederherstellen. Auch wir stehen einer in sich oft widersprüchlichen, zerrissenen Wirklichkeit gegenüber, die wir über den Weg der Analyse auch nicht mehr werden zusammenfügen können.
Wir bemühen uns allerdings über die Lehrerinnen- und Lehrerkooperation in den Profilteams um die Entwicklung eines abgestimmten Lernprozesses, in dem in thematischen Tagen oder Vorhaben fächerverbindendes oder fächerübergreifendes Lernen erprobt wird. Angesichts der Vorgaben der Rahmenrichtlinien sowie der Vorgaben der einheitlichen Anforderungen für die Abiturprüfung (EPA) sind die Spielräume für solche Ansätze begrenzt. Ebenso klar sehen wir auch die Grenzen, die in unserer eigenen Kompetenz liegen, zusammenhängende, problemorientierte Lernprozesse zu planen und durchzuführen.