„Ein besseres Deutschland hat es nie gegeben“

Ist das Lichtkunst – oder bewegt sich da was?
27. September 2020
Aktion zur Förderung von „Wildbienen im Schulwald“
24. Oktober 2020
Ist das Lichtkunst – oder bewegt sich da was?
27. September 2020
Aktion zur Förderung von „Wildbienen im Schulwald“
24. Oktober 2020

Dieser Satz von Dr. Wilhelm Polte, ehemaliger Oberbürgermeister und Ehrenbürger der Landeshauptstadt Magdeburg, und weitere Sätze in vielen Beiträgen blieben den Schülerinnen und Schülern besonders in Erinnerung. Sie besuchten im Rahmen des Geschichtskurses der Klasse 11.1 mit vielen Schülerinnen und Schülern des Kult-Profils aus Jahrgangsstufe 12, welche sich gern freiwillig anschlossen, eine Diskussionsveranstaltung mit Zeitzeugen aus Politik und Zivilgesellschaft anlässlich des 30. Jahrestages der Wiedervereinigung am Freitag, dem 2. Oktober 2020. Auch wenn nicht viel ‚diskutiert‘ wurde, kamen nach Grußworten vom Braunschweiger Oberbürgermeister Ulrich Markurth und dem Oberbürgermeister von Magdeburg Dr. Lutz Trümper viele interessante Zeitzeugen der Wendezeit zu Wort. Die Beiträge zeugten von Demut vor dem ungeheuren Ereignis und von viel Besonnenheit angesichts des Abstands von 30 Jahren, als Braunschweig vom „Zonenrandgebiet in der Mitte Deutschlands rückte“.
Vor allem wurde den Zuhörern aber vor Augen geführt, dass die Geschichte von Menschen gemacht wird und dass sie durch unseren Blick auf diese Entscheidungen und Handlungen lebendig wird. Es waren teilweise sehr persönliche Erfahrungen und der persönliche Blick auf diese Zeit des Umbruchs, die das Zuhören bereicherten. Die kleinen persönlichen Erlebnisse, wie das Abholen des Begrüßungsgeldes, die Initiativen zur Aufnahme der Kooperationen als gelebte Städtepartnerschaft, die persönlichen Erinnerungen an die umwälzenden Prozesse kurz vor der Wende in der DDR und die heutige Sicht darauf direkt von den im Mittelpunkt der Ereignisse stehenden Zeitzeugen, waren beeindruckend und bewegend. Man wollte den Berichten von Angehörigen, die vor 1989 im Westen waren, nicht glauben, bis man es mit eigenen Augen in den Tagen direkt nach der Maueröffnung sah, so Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper.
Es wurde auch nicht verpasst, die größeren strukturellen Umstände zu beleuchten, indem die Problematik der Vergleiche von verschiedenen Ressorts und Verhältnissen aufgezeigt wurde. Beide Partner der Städtepartnerschaft können und konnten voneinander lernen, vor allem aber bestreitet niemand mehr die enorme Aufbauleistung und die enorme Aufbauhilfe. Der Westen sei unvorbereitet gewesen, resümierte Dr. Gert Hoffmann, ehemaliger Oberbürgermeister von Braunschweig. Er spannte den Bogen von der auf die „Wahlfarce“ folgende „friedliche Revolution“ über das „Schürerpapier“ als ungeschönte Bankrotterklärung des ZK der SED, über das Vorurteil, die Treuhand hätte „vieles kaputt gemacht, was vorher im Comecon-Markt“ funktionierte“ und über Fehler, die gemacht wurden („Geld ersetzt keine Psychologie; wir haben die Menschen nicht abgeholt und dies zu spät bemerkt“), bis zu dem Fazit „Das Glas ist mehr als halbvoll“. Dem Appell an Westdeutschland für mehr Offenheit, mehr Kontaktaufnahme und mehr Interesse am Osten des Landes folgte auch offene Kritik von Dr. Wilhelm Polte: „Wenn man die heutige Presse liest, meint man, man müsse sich schämen, eine friedliche Revolution gemacht zu haben.“. Prof. Dr. Eckhardt Fuchs, Direktor des Georg-Eckert-Instituts – Leibniz-Institut für Internationale Schulbuchforschung richtete gegen Ende der Veranstaltung den Blick auf die revolutionären Prozesse und damit auf die Unterrichtsinhalte unserer Schülerinnen und Schüler, indem er betonte, dass es zu Beginn der Proteste kein einheitliches Konzept gab, sondern einen Freiheitswillen und den unbedingten Willen zur politischen Teilhabe. So schloss die bereichernde Veranstaltung mit leichter Überlänge nach 19 Uhr mit der Beschreibung des jeder Revolution innewohnenden „Moments der komplett offenen Situation“ (Prof. Dr. Eckhardt Fuchs), den man mit Hannah Arendts Worten als „Pathos des Neubeginns“, dem „Willen zur Freiheit“ und einem „Handeln in Freiheit“ begreifen kann.
T. Lutterbeck